Lageeinschätzung aus Rojava:
Angriff Türkei gesteuerter Dschihadisten
02.12.24
Nachdem seit dem vergangenen Mittwoch den 27. November die Großoffensive der dschihadistischen Milizen rund um die sogenannte „Syrische National Armee“ (SNA) und „Hayʼat Tahrir al-Sham“ (HTS) auf die Gegend begonnen hat, sind mittlerweile weite Teile westlich des Euphrat-Flusses in die Hände der Dschihadisten gefallen. Noch immer hält der Widerstand in dem selbstverwalteten Stadtteil Sheikh Maqsoud an.
Im rasenden Temp gelang es den dschihadistischen Milizen ab Mitte der vergangenen Woche auf die zweit größte Stadt Syriens, Aleppo, vorzustoßen. Binnen eines Tages gelang es ihnen, weite Teile der Region Aleppo unter ihre Kontrolle zu bringen und gleichzeitig weiter nach Süden vorzustoßen, wo sie zum jetzigen Zeitpunkt versuchen die Defensivlinien, die das syrische Regime um vor der Stadt Hama errichtet hat, zu brechen. Zeitgleich sind überall im Gebiet, welches unter der Kontrolle Damaskus steht, Schläferzellen und bewaffnete Gruppen aus der Deckung gekommen, haben Angriffe auf Soldaten des Regimes verübt und teilweise ganze Ortschaften im Landesinneren unter ihre Kontrolle gebracht. Der von langer Hand geplante Angriff richtet sich zum einen gegen den Einfluss des Irans in Syrien und andererseits gegen das Syrische Regime. Die Schwächung der Großmacht Iran und des syrischen Regimes ist nichts, was den Plänen des Westens zur Umstrukturierung des Nahen Ostens widerspricht. Ganz im Gegenteil kommt dem türkischen Staat als Nato-Mitglied die Rolle zu, die Dschihadisten geheimdienstlich unterstützt und mit Waffen und Training auf die aktuellen Angriffe vorbereitet zu haben. Die Gebiete, aus denen die Angriffe erfolgt sind, Idlib und das 2018 besetzte Afrin, werden von der Türkei kontrolliert.
Neben der Schwächung des Regimes und des iranischen Einflusses in der Region Aleppo hat die derzeitige Offensive insbesondere das Ziel, die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens einzukreisen und eine Ausgangslage für weitere Angriffe auf die Revolution zu schaffen. Den Demokratischen Kräften Syriens ist es am Samstag den 30. September gelungen, einen Korridor zwischen dem Fluss Euphrat und der Stadt Aleppo zu schlagen, um Verstärkung in die Region zu entsenden und damit ein Massaker an religiösen Minderheiten und der kurdischen Bevölkerung zu verhindern. Aufgrund der zahlenmäßigen Übermacht der Dschihadisten konnte der Korridor lediglich bis Sonntag den 1. Dezember aufrecht erhalten werden. Bereits am Nachmittag des selben Tages begann die SNA mit einem Vorstoß aus verschiedenen Richtungen auf die Region Shehba, die nördlich von Aleppo gelegen ist. Genutzt wurden dabei unter Anderem gepanzerte Fahrzeuge des Typs M113 aus US-amerianischer Produktion. Die Volksräte der Region Shehba, in der hunderttausende Flüchtlinge aus dem 2018 besetzten Kanton Afrin leben, beschlossen daraufhin die Evakuierung , um ein Massaker an der Bevölkerung zu verhindern. Zur aktuellen Stunde befinden sich kilometerlange Ströme an Geflüchteten in die weiter östlich gelegenen Gebiete der Selbstverwaltung, wo gerade im Eiltempo nahe des Tabqa Stausees Notunterkünfte geschaffen werden.
Mit der Einnahme Aleppos und der Besatzung Shehbas schließt der türkische Staat an die bereits seit Jahren verkündeten Pläne an, die Grenzen des „Misak-ı Millî Paktes“ herzustellen, der 1920 beschlossen wurde und von der Errichtung eines großtürkischen Reiches träumt, deren Einfluss und Machtbereich bis in den Norden Syriens und des Iraks hineinreichen. Durch die anhaltenden Angriffe auf die befreiten Gebiete Südkurdistans und die neuen Angriffe auf die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens versucht die Türkei diesem Plan Schritt für Schritt näher zu kommen. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass HTS die türkische Fahne auf der Zitadelle in Aleppo gehisst hat, Osmanische Märsche von dem Vorstoß auf die in Shehba gelegene Stadt Tel Rifaat gesungen werden und in dem Hauptquartier der Befehlshaber dieses Angriffes an der Wand die Bilder Erdogans und Mustafa Kemal Atatürk hängen.
Aufgrund der eskalierenden Situation wurde von der Autonomen Administration Nord- und Ostsyriens am Sonntag den 1. Dezember die Generalmobilmachung ausgerufen. In einer Erklärung heißt es, dass alle jungen Männer und Frauen dazu aufgerufen seien, sich um die Demokratischen Kräfte Syriens zu scharen. Neben der QSD, welche Am Sonntag ebenso die Mobilmachung ausgerufen haben, befinden sich weite Teile der Selbstverwaltung im Ausnahmezustand. Von Jugendorganisationen zu Frauenstrukturen, bis hin zur gesamten Gesellschaft, bereiten sich alle intensiv auf die Verteidigung der Revolution im Sinne des revolutionären Volkskriegs vor. Wie die Mütter bei der Zubereitung von Essen für den revolutionären Volkskrieges in Sheikh Maqsoud „İro cerxa şoresê fireh digerinê“ , „Heute dreht sich das Rad der Revolution“ singen, so findet das Echo dieser Strophe seinen Widerhall auf allen Plätzen, auf denen überall auf der Welt demonstriert wird und ein Teil dazu beigetragen wird, die Revolution zu verteidigen.
Rise Up 4 Rojava – Smash Turkish Fascism